LESEPROBE…

 

TOTE KINDERSEELE

Um Ihnen einen kleinen Einblick in meine Biografie TOTE KINDERSEELE Mein Weg zurück ins Leben, zu geben, können Sie hier kurz lesen.

Meine Mutter

       Meine leibliche Mutter verehre ich bis heute. Von ihr weiß ich nur den Namen Margaretha Reisinger und Teile ihrer sehr traurigen Lebensgeschichte.
Als ich auf die Welt kam, hatte meine Mutter bereits fünf Kinder geboren. Sie war ledig. Alle meine Geschwister waren von der Fürsorge in Heimen oder bei Pflegefamilien unter- gebracht worden.
Nach meiner Geburt hat sie dann doch noch geheiratet und noch ein Kind bekommen. Bald darauf aber, im Oktober 1953, ist sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Laut Akt lebte ich nur 32 Tage bei meiner leiblichen Mutterin einer Baracke. Ich denke dennoch, dass dies die einzige Zeit war, in der ich Liebe und Geborgenheit erfahren habe.

Nach diesem ersten Lebensmonat ≈zuhause« wurde ich von der Fürsorge in ein Waisenhaus in Linz gebracht und blieb dort, bis ich mit sieben Monaten zu meinen Pflegeeltern kam. Meine neue Familie nahm schon seit 1941 Pflege- kinder auf und genoss großes Vertrauen bei der Fürsorge. Eigentlich wäre von der Fürsorge diesmal ein Bub für sie vor- gesehen gewesen. Da die Pflegemutter aber lieber ein Mädchen wollte, fiel die Wahl zufällig auf mich.
In späteren, schweren Zeiten fragte ich mich oft, warum mich meine Mutter nicht zu sich holte, selbst später noch, als sie nicht mehr lebte. Ich verdrängte ihren Tod einfach. So sehr wünschte ich mir, dass mich jemand verstehen könnte. Ich hoffte, dass sie es wäre und sie mich doch lieben würde. An die Zeit im Waisenhaus und die erste Zeit bei meinen Pflegeeltern kann ich mich kaum erinnern.Laut Erzählungen konnte ich schon sehr früh laufen.

      Doch schon damals dürften Dinge passiert sein, die der Entwicklung meiner Kinderseele und meinem Körper nicht zuträglich waren. Ich lutschte ständig an meinen Daumen. Das versuchte mir meine Pflegemutter abzugewöhnen, indem sie meine Daumen einwickelte und die Hände seitlich am Bett befestigte. Ich kam trotzdem frei und zu meinem Daumen beim Schlafen.
Später lutschte ich auch tagsüber an den Daumen. (Viel- leicht wollte ich auf meinen schlechten körperlichen und seelischen Zustand aufmerksam machen oder damit man mir nichts ≈anderes« in den Mund stecken konnte.) Nun schmier- te sie mir die Daumen mit Schuhpaste ein. Doch diese rieb ich ins Leintuch und blieb weiter beim Lutschen. Daraufhin versuchte sie es mit Hühnerkot. Vergeblich. Die Schläge auf die Hände habe ich mit der Zeit nicht mehr gespürt. Damals wurde mein Schmerzempfinden so gestört, dass ich den Schmerz immer mehr abspaltete, bis ich eines Tages nur mehr wie ein Automat existierte.

       In den 1950er-Jahren war es ein großer Makel, eine ledige Mutter zu haben und >> keinen Vater<<. Diese Verurteilung von der Gesellschaft als “moralisch sehr bedenklicher Umstand” hat sich tief in mir eingegraben. Bis heute habe ich das Ge- fühl, ungeliebt und unansehnlich, ekelig und schmutzig zu sein. Ich glaube immer noch, dass ich den Leuten lästig falle, und es fällt mir schwer, Hilfe anzunehmen.

Es folgt die Zeit bei den Pflegeltern, die Vergewaltigungen
durch den Pflegevater, die Schwangerschaft
und Abtreibung und dann das 1.Heim…

HEIMZEIT

Der Beginn einer Jugend

     Ich wurde mit einer schwarzen Limousine vom Pflegeplatz abgeholt und in mein neues Zuhause gebracht. Das Internat Baumgartenberg zu den Guten-Hirtinnen-Schwestern ist ein schönes, großes Kloster. Dort wurde ich herzlich empfangen und hatte gleich das Gefühl, dass mich alle kennen würden. Am Abend gab es ein Hallo von den Schneiderinnen, die sehr erfreut waren, wieder eine >>Reisinger« da zu haben. Denn wie es sich herausstellte, waren vor mir schon zwei meiner Halbschwestern hier gewesen, hatten Weißnäherin gelernt und beim Kirchenchor gesungen. Und so war ich gleich gut aufgenommen. Ab September ging ich in die Haushaltungs- schule. Natürlich musste ich mich erst an alles gewöhnen. Es gab Schlafsäle mit zwanzig und welche mit acht Betten. Zu- erst schlief ich im kleineren Saal. Da ich aber in der Nacht immer aufschrie, schweißgebadet wach wurde oder aufge- weckt werden musste, verlegte man mich in den großen Schlafraum, Wand an Wand mit Mutter R., der Leiterin der Schulgruppe.
Die Schwestern der Guten Hirtinnen trugen braune Kutten, die Gruppenmütter weiß-cremefarbene Kleider und schwarze Teilkleider, sodass sie aussahen wie Pinguine. Ihre Erzie- hungsmethoden waren die gleichen wie in weltlichen Erzie- hungsheimen, die ich ja auch noch kennenlernen sollte.

Das Schweigen endlich brechen

Nachdem ich die Haushaltungsschule abgeschlossen hatte, kam ich in die Kapellenstraße in das Internat der ≈Oblatinnen«, um eine kaufmännische Lehre zu machen. Das interessierte mich nicht besonders. Bald freundete ich mich mit einer Studentin an. Wir machten gemeinsame Ausflüge, Kinobesuche, und eines Tages saß ich am Boden in ihrem Zimmer, hatte meine Arme verschränkt auf ihren Knien liegen, und es war mir ein Bedürfnis, mich ihr anzuvertrauen. Dabei sagte ich, dass ich mit Männern nichts mehr zu tun haben wolle. Sie sprang aus ihrem Sessel auf und lief zur Heimleiterin. Diese sperrte mich sofort alleine in den Tagraum ein und brüllte, was ich von dieser Studentin wollte und was das blöde Gerede von Männern heißen sollte. Dann brach ich zur Verteidigung mein Schweigen und erklärte, dass ich sexuelle Ge- walt erlebt habe von meinem Pflegevater.
Daraufhin sperrten sie mich ein und verständigten die Fürsorge. Ich durfte nicht am gemeinsamen Abendessen teil- nehmen und wurde auch sonst von den anderen abgesondert. Wenn ich das Zimmer verließ, begleitete mich eine Schwester, ohne ein Wort mit mir zu wechseln. Und ich wurde sofort nach der Arbeit isoliert. In diesem Raum stand ein Plattenspieler, und die einzigen Platten, die ich immer wieder spielte, waren
≈The Death of a Clown« von The Kinks und ≈Ha, Ha, said the Clown« von Manfred Mann. Am nächsten Tag musste ich zur Fürsorgerin, die meine Version zur Gänze hören wollte.
Als ich da saß und immer wieder das Gleiche gefragt wurde, hatte ich das Gefühl, an der völlig falschen Stelle zu sein. Denn ich wurde hier als Täterin hingestellt und für unglaubwürdig gehalten. Sie fragte mich, welche schlechte Lektüre und Schundhefte ich lesen würde, um solche Geschichten zu erfinden. Sie hatte ja recht, aber sie hatten sich in den Jahren verschätzt: Die ≈Schundhefte« hatte ich schon viel früher lesen müssen!
Mein Pflegevater klärte mich im Alter von acht und neun Jahren anhand eines Arztbuchs auf, wie man schwanger wird, wie Schwangerschaft und die Geburt verlaufen. Er wolle mir das alles genau zeigen und mich lehren, sagte er. Er besaß auch Beate-Uhse-Hefte mit sodomitischen Bildern. Er zwang mich, das alles immer wieder anzusehen, und geilte sich da- mit auf. Ich empfand unbeschreiblichen Ekel ∑ davor und vor ihm, doch nicht nur deshalb: Durch das Pfeifenrauchen war seine Zunge so rau wie bei einer Katze.

      Der Grund, warum ich endlich alles erzählte, war, weil meine Pflegeeltern wieder zwei Mädchen mit sechs und acht Jahren aufgenommen hatten. Diesen beiden zuliebe brach ich mein Schweigen. Die Fürsorgerin glaubte mir gar nichts. Sie sah in mir nur das verdorbene, schlechte ≈Nummernkind P 45/52«, wobei nur die Nummer zählte, nicht der Mensch, geschweige denn das Kind. Sie meinte, ich wolle eine an- gesehene Familie ins Unglück schicken, so eine angesehene, gute, vorbildliche Pflegefamilie. Das sei empörend, was ich ihnen da antun wolle. Ich solle genau nachdenken, was ich da über diese Familie sage. Da riss mir der Geduldsfaden, und ich sagte, es gehe nicht mehr um mich, aber um die beiden jetzigen Pflegekinder dort. Die sollen das nicht durchmachen, was ich alles ertragen musste von der jahrelangen sexuellen und körperlichen Gewalt bis zur Schwangerschaft und der Abtreibung. Dreizehn Jahre haben diese Misshandlungen bei mir gedauert.
Ich war von meiner Mission überzeugt und redete be- stimmt und sicher. Die Fürsorge teilte mit, dass ich verständigt würde, wenn sie die Pflegemutter verhört hätten. Ich betonte, dass es mir wirklich nur um die beiden Mädchen ginge. Einige Zeit später wurde ich von der Fürsorge wieder abgeholt und weiter verhört. Es stellte sich heraus, dass die Pflegemutter alles zugegeben hatte, auch den Schwangerschaftsabbruch. Die beiden Kinder seien daraufhin sofort aus der Pflege genommen worden.
Es war das erste Mal, dass ich aufatmen konnte.

Es folgten weitere Heimaufenthalte, die Lehrzeit

und Lebensabschnitte verschiedenster Abhängigkeiten…

 

Mutterzeit

Eine teuer bezahlte Freiheit

Eines Tages packte mich die Abenteuerlust. Ich begann mit Marianne herumzuziehen. Über Nacht ging ich ohne zu kün- digen von der Firma weg.
Nun begann ein ganz neuer und zuerst ganz einfacher Lebensabschnitt. Wir fuhren per Autostopp nach Salzburg. Marianne war schon jahrelang so durch die Lande gezogen und kannte sich überall gut aus. Zu Beginn hatten wir das Geld von meiner Abrechnung. Später erklärte mir Marianne, dass ich mein Konto auch überziehen könne. Und so tat ich das auf Raten. In Salzburg kannte sie eine Menge Leute. Wir fanden sofort jemanden, der uns mitnahm und bei dem wir schlafen konnten. Ich sah darin kein Problem. Bei einer Lokalrazzia stellte sich heraus, dass ich im Fahndungsbuch stand und somit an allen Grenzen ausgeschrieben war. Der Grund: Die Bank hatte wegen des überzogenen Kontos und der ausständigen 10.000 Schilling Anzeige erstattet, und ich war unauffindbar, weil ich nirgends gemeldet war. Ich war nun ständig in Gefahr, verhaftet zu werden.
In dem Kreis, in dem ich mich damals befand, waren Schwule, Lesben und zwielichtige Leute aus der Halbunter- welt – Diebe und Zuhälter, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Das waren nicht die besten Ratschläge, wie ich heu- te weiß. Sie rieten mir davon ab, nach Linz zu fahren, weil ich dort verhaftet werden würde. Ich lebte daher als U-Boot. Wir blieben nirgendwo lange. Kurz arbeitete ich an der Grenz- station am Walserberg in der Küche, unangemeldet. Dabei hätte ich nur 50 Schilling an die Bank überweisen müssen, dann wäre die Anzeige zurückgezogen worden. So sagte es mir die Polizei, aber ich glaubte meinen ≈Freunden« mehr als der Polizei.
Mittlerweile waren wir wirklich obdachlos, da ich ja nir- gendwo mehr schlafen konnte. Sogar in der Herberge wurden die Ausweise kontrolliert. Der Sommer war in der Zwischen- zeit vorbei, die Nächte wurden kälter. Wir badeten am Bahnhof und bettelten uns durch. Marianne fand immer noch Orte, wo wir etwas zu essen bekommen konnten. Zum Schluss schliefen wir im Schlafsack auf Kirchenstiegen und in Haus- eingängen. Eines Morgens hatte ich das ungute Gefühl, dass ich an dem Tag verhaftet werde. Ich sagte es meiner Freun- din. Sie meinte, ich hätte zu viel getrunken, aber um sechs Uhr am Abend kam tatsächlich das ≈Überfallskommando« mit drei Streifenwagen. Für mich gab es kein Entrinnen mehr. Die Polizisten kamen auf mich zu: ≈Reisinger, mitkommen!« Irgendwie war ich froh darüber, denn ich hatte alles schon so satt.
Ich kam nach Salzburg in Schubhaft in eine Zweierzelle. Die Zweite zeigte mir alles. Ich ging duschen und bekam Seife, Zahnpasta und Zahnbürste sowie ein Handtuch. Ich musste drei Tage dort bleiben, bis ich nach Linz überstellt wurde.
Am zweiten Tag in Salzburg wurde für die Gefangenen von irgendeiner Organisation eine Weihnachtsfeier organisiert, mit Gesang und Keksen. Es waren traurige Weihnachten.
In Linz angekommen, kam ich in eine Zelle mit sieben Betten. Die Frauen waren bunt gemischt. Ich musste alles abgeben und bekam Haftkleidung. Nun hatte ich geschafft, was mir die Chefin prophezeit hatte: Ich wohnte nun unter Diebinnen, Prostituierten und einer Frau, die ihren Mann umgebracht hatte. Ich fügte mich, denn auch hier gab es unter den Frauen Regeln außerhalb der Hausordnung. Als frisches Küken in dieser Runde hatte ich nicht viel zu melden. Die Frauen ließen mich in Ruhe, aber nicht die Beamtinnen, die wussten aus dem Gerichtsakt, dass ich lesbisch war, und be- handelten mich dementsprechend. Ich hatte kein Geld und musste in der Untersuchungshaft arbeiten, damit ich mir Tabak kaufen konnte.
In der Zwischenzeit musste ich feststellen, dass ich schwanger war. Es war im Herbst beim Autostoppen passiert. Der Mann hatte mich danach aus dem Laster geworfen. Und ich konnte ihn gar nicht anzeigen. Namen und Kennzeichen hatte ich mir in dieser Situation nicht gemerkt, nachdem ich selbst gesucht wurde.

Dann kam die Gefängniszeit, die Entbindung und das Scheitern meine Tochter Alexandra selbst aufzuziehen, die Zeit in der Unterwelt und schließlich der Entschluss zum Entzug im Krankenhaus De-la-Tour

Der lange Abschied vom ≈Freund Alkohol«

       Viele Jahre lang war es mir gut mit meinem ≈Freund Alkohol« gegangen. Schon in der Kindheit lernte ich seine betäubende Wirkung kennen. Mit fünf Jahren zwang mich der jüngste Sohn meiner Pflegeeltern zum Trinken einer ganzen Flasche Bier. Mit elf, zwölf Jahren gaben mir die Erwachsenen literweise Ribiselwein, wie ich es bereits beschrieben habe. Das hat mir damals schon gezeigt, dass man damit vergessen kann. So paradox es auch klingen mag, die Realität wäre für mich viel zu schwierig gewesen ohne ihn. Dann hatte ich es jahrelang gar nicht schaffen wollen. Ich wollte mich regelrecht zu Tode trinken, aber immer wieder holten mich die Ärzte zurück und empfahlen mir eine Entwöhnungskur. Doch ich war nicht versichert, und es fehlte mir das Geld.
Außerdem wollte ich eigentlich gar nicht aufhören. Ich wollte nur hinübergleiten ins Jenseits, möglichst ohne viel zu leiden. Aber der Alkohol hatte mir schon sehr zugesetzt. Ich litt seit 1978 in unterschiedlichen Abständen immer wieder an heftigen Schmerzen. Ich wusste damals gar nicht mehr genau, was alles mir wehtat. Ich hätte in so einem Zustand die Wände hochklettern können, bekam kalte Schweißausbrüche, un- kontrollierbaren Durchfall und musste erbrechen. Die Koliken bekämpfte ich mit Gallentropfen. Ich trank davon eine halbe bis eine ganze Flasche, bis sich nach zwanzig Minuten die Krämpfe lösten. Aber nicht einmal das hatte mich davor zurückgehalten weiterzutrinken. Jetzt erst recht, dachte ich, denn irgendwann einmal müsste doch eines dieser Organe aussetzen -so hoffte ich. Die Ärzte sagten mir immer wieder, dass der nächste Rausch meinen Tod bedeuten könnte, diese Information war wie Balsam für meine Seele.

Erstaunlicher- weise lebe ich heute noch.

     Immer öfter kam es vor, dass ich in Kneipen und Stamm- lokalen zusammenbrach. Ich wurde mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht. Manchmal wurde ich ohne Kleidung und ohne Unterhose eingeliefert, da alles unbrauchbar geworden war. Einmal erklärte mir ein Arzt, wie das passiert: Die Leber wird vom Alkohol groß wie ein Ball zur Fettleber und lässt dem Magen keinen Platz mehr. Der Magen arbeitet nicht mehr richtig, und in der Folge wird die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen. Dort entsteht Sauerstoffmangel. Alle Körperfunktionen geraten ins Stocken. Außerdem sterben dabei jedes Mal Millionen von Gehirnzellen ab, das wusste ich aber schon. Er wunderte sich auch, dass ich noch lebte. Aber das alles überzeugte mich noch immer nicht davon, dass ich mir helfen lassen sollte. Ich war noch nicht so weit. Viele Jahre vergingen mit diesen Extremen. Ich landete sogar auf der Psychiatrie und wurde im Gitterbett wach. Höchst- wahrscheinlich hatte ich randaliert oder wollte den Aus- pumpschlauch nicht schlucken. Jedenfalls bekam ich bis zum Erwachen um fünf Uhr früh nicht mit, was passiert war. Bei der Visite wurde ich gefragt, ob mein Alkoholexzess in selbstmörderischer Absicht passiert sei. Ich verneinte, ich hätte nur einen über den Durst getrunken. Ich musste eine Stunde lang kämpfen, damit ich das Krankenhaus wieder verlassen konnte. Dieser ≈Spaß« kostete mich 2500 Schilling und war kein Einzelfall. Doch ich lernte nichts daraus.

     Dazwischen aber gab es Zeiten, in denen ich selber versucht hatte, mit dem Trinken aufzuhören. Die längste Zeit waren vier Jahre, in denen ich nur alkoholfreies Bier getrunken habe. Doch das war trügerisch, denn dieses Bier enthält aus Geschmacksgründen immer noch einen kleinen Rest an Alkohol. Vielleicht ist es mir dadurch nie wirklich gelungen. Mit der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten begann ich 1975 in Steyr. Von Captagon nahm ich am Schluss zehn Stück am Tag. Sobald die Wirkung nachließ, spülte ich fünf Stück auf einmal mit Bier hinunter, und der Kreislauf stabilisierte sich. Nach polizeilichen Schrankkontrollen und der Beschlagnahmung meines Vorrats bat ich bei Kolleginnen um Rezepte, die ihnen als Prostituierte ≈zustanden«, die sie aber nicht benötigten. Am Schwarzmarkt war eine Tablette 200 Schilling wert. Zum Schlafen nahm ich Rohypnol und Valium. Ich probierte auch fast alle Rauschdrogen aus, die es damals gab, selbst LSD. Haschisch gab mir nichts. Glücklicherweise bewahrte mich meine Angst vor Spritzen vor Heroin. Ich blieb bei meinen Pillen und wundere mich noch heute, dass ich keine größeren Schäden davongetragen habe. Nachdem ich 1984 mit den Tabletten aufgehört hatte, trank ich dreimal so viel Alkohol, insbesondere viel Schnaps.

***
Und das schönste jetzt am Schluss…

Überraschung!

1994 hörte ich nach zwanzig Jahren erstmals wieder die Stim- me meiner Tochter. Sie rief mich im November an. Zu Weih- nachten hielt ich das erste Foto von ihr in Händen. 1995, im August, sahen wir uns zum erste Mal von Angesicht zu An- gesicht. Seither sind wir regelmäßig in Kontakt.
1998 erzählte ich meiner Tochter in Kurzform den Lebensabschnitt, der uns betraf, und wie es damals war. Sie hatte mir schon lange verziehen, sagte mir auch, dass sie mich dreizehn Jahre lang erfolglos gesucht hatte. Die Fürsorge hatte es gewusst, ihr aber keine Auskunft gegeben. Und über eine Versicherung war es nicht möglich, meinen Verbleib ausfin- dig zu machen, weil ich viele Jahre nicht versichert war. Sie hatte angenommen, dass ich ins Ausland gegangen sei.
Ich war überglücklich, dass es ihr so gut ging und sie bei guten und aufgeschlossenen Eltern aufwachsen durfte. Für sie war es tatsächlich Glück im Unglück.

Meine Tochter versucht inzwischen, mich so zu nehmen, wie ich bin. Denn auch darüber sprach ich mit ihr schon vor Jahren, aber ich sollte ihr noch Zeit lassen, da sie durch meine Geschichte so viel zu verarbeiten habe und es gar nicht leicht sei, all das zu verstehen, wenn man in einer so heilen Welt aufgewachsen war wie sie. Ich wusste nicht, wie man mit so einer heilen Welt umgeht, aber instinktiv gelang es mir. Ich hörte viel in mich hinein und agierte aus dem Bauch heraus, der mir all die Gefühle signalisierte, gute und weniger gute, und daraus handelte ich dann.

REISINGER HERMINE

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REZENSION:

Von Mag Sarah Krampl am 16. Mai 2015

Format: Kindle Edition

Hermine ist ihr Name, der Name einer starken Frau, die eigentlich ein Mann sein möchte. Als Befriedigungsobjekt, als Ersatzobjekt sowohl seelisch als auch körperlich ausgenutzt und bereits in jungen Jahren verletzt, schaffte sie schließlich den Sprung ins gute Leben und setzt sich heute für jene Menschen und Kinder ein, die sexuelle Gewalt erleben. In einer Pflegefamilie unter schlechtesten Erziehungsbedingungen aufgewachsen, mit einer Pflegemutter, die sie schlecht, wie ein Aschenputtel behandelte und einem Pflegevater, der sie einige Male brutalst vergewaltigte, kam sie bald in ein Erziehungsheim für schwererziehbare Mädchen. Sie entwickelte eine homosexuelle Ader und verliebte sich in Mädchen, später in Frauen. Einige Jahre als Prostituierte tätig, Drogen- und Alkoholabhängig, entschied sie sich schließlich zu einer Entziehungskur. Selbst ein Mädchen, während ihrer Ausbildung zur Glasmalerin, auf die Welt setzend, musste sie sie aus Notgründen auch zu Pflegeeltern, diesmal aber zu Liebevollen, geben. Wie kann ein Mensch soviel Leid aushalten? Irgendwann ist einem alles egal, wie auch Hermine in den 16 Jahren ihrer Süchte und Prostitution. Aber sie wollte das gar nicht und ihr Überlebenswille war schließlich stärker und siegte. Kinder derart zu misshandeln, wie sie misshandelt wurde, hinterlässt einen bitteren Geschmack im Leben. Woher kommt das Vertrauen, das einen doch immer wieder aus dem Selbstmitleid, aus dem Misstrauen heraushilft, wenn nicht entweder von Gott, von unserem Über-Ich im Freudschen Sinne, unserem Gewissen, das uns letztendlich leitet, oder von anderen Menschen, die einen begegnen und mit ihrer liebevollen Art uns doch Hoffnung, Ruhe und Ablenkung von unseren Schmerzen schenken und uns somit im richtigen Moment retten. Woher kommt diese geistige Kraft, die wir alle Liebe nennen, die Hoffnung und Vertrauen spendet und uns die Kraft gibt, nicht zu verzweifeln, sondern weiter zu machen, egal unter welchen Bedingungen, wenn nicht von der Bereitschaft mancher Menschen, das Gute zu fördern und das Schlechte zu ignorieren. Das Leben ist ein Geschenk und oft wird es einfach aus unterschiedlichsten Gründen, vielleicht wegen der 7 Todsünden zerstört, kaputt gemacht, getötet. Vielleicht sollten wir einmal beginnen die 7 Lebenstugenden zu befolgen, nur diese können zu einem guten, friedvollen Leben führen: Demut, Großzügigkeit, Geduld, Liebe, Mäßigkeit, Vertrauen und Tüchtigkeit. Ich glaube, Hermine hat einige der von ihr an eigenem Leib erlebten Todsünden in Lebenstugenden verwandelt und dazu gehört eine gehörige Portion an Kraft und Durchhaltevermögen. Diese Autobiografie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr persönlich und detailreich geschildert wird. Es wird nichts verschönert aber auch nichts dramatisiert. Nackt, schonungslos und doch voll mit persönlichen Gefühlen werden die Ereignisse im Leben Hermines von ihr erzählt. Die Sprache ist nüchtern und doch hat sie eine ganz besondere Note, die liebe- und kraftvolle Note Hermines selbst.

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Von Alexandra am 16. März 2012

Verifizierter Kauf

Obwohl mir gesagt wurde, dass man für dieses Buch starke Nerven benötigen würde, kann ich es nur weiter empfehlen. Ich bin selbst auch ein Opfer sexuellen Missbrauches geworden in meiner Jugendzeit, doch zog mich die Geschichte von Hermine Reisinger in keiner Weise hinunter. Auch Betroffene können ihre Lebensgeschichte durchaus lesen ohne wirklich befürchten zu müssen, getriggert zu werden.
Hermine nimmt kein Blatt vor den Mund und verschönert nichts, auch nicht ihre eigenen Fehler, die sie immer wieder in ihrem Leben machte. Sie geht vollkommen offen mit allem um und steht zur Wahrheit. Dies ist ein ganz großer Pluspunkt, denn Lügen zerstören uns nur noch mehr als es alle Gewalt und jeder Missbrauch sonst auch schon tut. Anhand ihrer Geschichte kann man sehen wieviel Kraft Opfer aufbringen können und vor allem dass es sich immer lohnt zu kämpfen. Alles, was uns nicht umbringen kann zwingt uns stärker zu werden.

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Auf der Frankfurter Messe wurde mein Buch TOTE KINDERSEELE ins Land der Bücher, gebracht durch meinen 1. Verleger Alois Wieser-der in Konkurs sich befindende Verlag! Der mich und andere Autoren nicht davon in Kenntnis gesetzt hat, sondern uns in guter Stimmung ließ, dass der Erfolg von beiden Seiten belohnt werden sollte. Am 8.3.2012 erfuhr dann dass er in Konkurs sei, weil ich es in den Medien in den nächsten Tagen lesen würde. Er sagte noch, wir werden schon auf gleich kommen. Keine Angst es geht alles wie gehabt weiter. Ich war trotz meiner Geschichte sehr naiv und glaubte an den Menschen an die Lektorin Barbara Maier von der Universität Klagenfurt die seine Lebensgefährtin bzw. nun Ehefrau ist.

Ich wurde eines besseren belehrt durch dieses Paar, dass man über Leichen geht, wenn es um das eigene Geld geht und Wohlbefinden d.h. Bereicherung.

Frankfurter Buchmesse Alois Wieser 2011

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